Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Antwort ist wie immer ein klares Jein. eco – Verband der Internetwirtschaft e. V hat in Zusammenarbeit mit dem Analystenhaus Arthur D. Little ein Update des Branchenmonitor Internetwirtschaft für 2023 veröffentlicht. Entgegen aller sonstigen Wirtschaftsorakel erholt sich die Internetbranche schneller als erwartet von den Folgen aller Krisen und erwartet für 2023 einen Umsatz von 226 Mrd. Euro. Das entspräche einem Wachstum von 14% gegenüber dem Vorjahr. Bis 2025 rechnet man gar mit einer Steigerung des Umsatzniveaus auf circa 280 Milliarden Euro.
Je nach Umfrage sieht eine Mehrheit Deutschland bei der Digitalisierung bestenfalls im Mittelfeld. Das bestätigen internationale Vergleiche wie der E-Government Development Index der UN (EGDI) oder der DESI-Index (Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft) der EU. Beim Grad der Digitalisierung in der Verwaltung erreichte die Bundesrepublik 2022 lediglich Platz 22 – was bei 192 Staaten noch nicht so wirklich schlecht scheint. Beim DESI schaffte es Deutschland 2022 mit Platz 13 von 27 tatsächlich nur ins Mittelfeld. Im weltweiten Digital Competitiveness Index steht Deutschland 2022 auf dem 19. Platz. Auch das klingt – global betrachtet – eigentlich ganz gut. Aber: Deutschland rutscht kontinuierlich ab. 2016 war es nämlich noch Platz 15, 2021 schon Platz 18 und 2022 nochmal einer schlechter.
Woher kommt der Wachstum?
Digitalisierung und Internetwirtschaft sind zwei sehr verschiedene Dinge, die nicht zwingend in Zusammenhang stehen. Das zeigt ein Blick in die einzelnen Layer des eco-Branchenmonitors. Die höchsten Wachstumsraten finden sich in den Layern 3 und 4: Aggregation & Transactions sowie Smart Industries & Paid Content. Die Treiber in diesen Segmenten ist ganz klar Künstliche Intelligenz (KI). Innovationen in diesem Bereich versetzen Anbieter in Zugzwang. Nachgelagerte Wachstumsbranchen sind Automotive (connected vehicles), die Industrie (mit immer intelligenteren Steuerungen) und as-a-Service-Plattformen. Ebenfalls boomen E-Commerce, Streaming und Online Gaming. Und auch wenn der Eindruck besteht, das Meiste davon passiere außerhalb Deutschlands, ja gar Europas, wird auch hierzulande eine Infrastruktur benötigt. Das belegen auch die bisherigen Wachstumsraten in den Layern 1 und 2. Und tatsächlich belegt Deutschland 2022 im Global Innovation Index immerhin Platz 8. In Deutschland steigen die Staatsausgaben für Forschung und Entwicklung. Das war nur bei einem anderen Land 2022 so: Südkorea. Alle anderen haben die stattlichen Haushaltshilfen zurückgefahren.
Allerdings darf man auch nicht die Augen vor der Realität verschließen. Im eco Branchenmonitor geht es um Umsätze. Und da sind sich fast alle Layer einig: Ein Großteil des Wachstums soll mit höhren Anbieterpreisen (Layer 4), steigende Preise (Layer 2) oder Preiserhöhungen (Layer 1) erreicht werden.
Der Schnitt ins eigene Fleisch
Hohe Energiepreise und Zinsen sowie steigende Investitionskosten sollen also nicht etwa (oder nur bedingt) durch Sparmaßnahmen oder Rücklagen gedeckt werden. Man bittet offen den Verbraucher zur Kasse.
Das ist ein sehr riskantes Konzept und kann der Beginn einer tödlichen Spirale sein. Höhere Verbraucherkosten werden zu weiteren Lohnforderungen führen. Ergo: Die Kosten für die Unternehmen steigen weiter an. Das wiederum wird man erneut mit höheren Verbraucherpreisen zu kompensieren versuchen.
Dass eine solche Vorgehensweise kurzfristig und unökonomisch ist, hat auch der deutsche Finanzminister Lindner schon erkannt. Aktuell im Kreuzfeuer ob seiner Sparpolitik, antwortete er am 30.08.2023 auf die Frage Peter Klöppels im RTL-Aktuell-Interview, warum er sich so vehement gegen einen Industriestrompreis wehre:
Auf den Einwand Klöppels, auch die kleineren Betriebe zu subventionieren entgegnete Lindner:
Ich glaube, wir müssen generell zu niedrigeren Energiepreisen kommen, und dass wir schneller Energie zubauen – erneuerbare Energie zubauen, …, aber auf Schulden basierte Subventionen über mehrere Jahre, das wäre ökonomisch nicht sinnvoll und übrigens auch nicht fair.
Christian Lindner MdB, Bundesminister der Finanzen im Interview mit Peter Klöppel bei RTL Aktuell
Bedauerlicherweise spielte auch in diesen Überlegungen offenbar kaum eine Rolle, wie man Energie sparen könnte oder vorhandene Ressourcen intelligenter nutzen.
Der Verbraucher soll es regeln
Auch die Konzerne scheinen wenig Interesse daran zu haben, nachhaltiger zu wirtschaften oder neue Wege einzuschlagen. Zwar positioniert man sich öffentlich nachhaltig:
Auf meine Frage, welche Rolle moderne Ansätze wie Open Compute Project oder Wasserkühlung in Rechenzentren spielen, antwortete Ludwig, dass man vorbereitet sei und es umsetzen könne, aber
nur bei kundenseitiger Nachfrage.
Volker Ludwig, Managing Director Digital Realty DACH
Dabei könnten gerade Rechenzentren einen viel deutlicheren Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten und energieeffizienter werden. Wie das geht, hat kürzlich erst Philipp Kurus von Boston Server und Storage Solutions eindrucksvoll demonstriert:
Im direkten Vergleich wird deutlich, wie drastisch sich die Kosten senken ließen mit einem flüssig-gekühlten System. Die Rechnung ist eine ganz einfache:
Wie solche Lösungen aussehen und wo ihr sie kaufen könnt, erfahrt ihr in unserem Interview mit Philipp auf dem Boston Technology Innovation Day. Die Links gibt’s in den Shownotes zur Podcast-Episode.
Zugleich könnte z. B. sehr viel mehr Abwärme zum Beheizen von Wohn-, Büro- und Industriegebäuden zur Verfügung gestellt werden. Wie solche Konzepte aussehen können, lest ihr mit vielen Beispielen in meinem Beitrag For Sustainability, Buildings and Energy are Strategic Resources für GigaOm.