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Technologie aus Osteuropa Teil 2: Polen

Zwar ist Google Analytics mit ca. 86% Marktanteil nach wie vor der Marktführer. Wer jedoch in Europa DSGVO-konform tracken möchte, setzt gern auf Alternativen wie dem Open-Source-Projekt Matomo (früher Piwik) oder dem proprietären Piwik PRO. Die Geschichte von Piwik PRO beginnt im September 2013 mit Beratungsdienstleistungen für die Open-Source-Plattform Piwik. Drei Jahre später entwickelt das Unternehmen eine eigene Plattform – die Piwik PRO Analytics Suite. Was die meisten nicht wissen: Piwik PRO ist ein polnisches Unternehmen mit Sitz in Wrocław.

Piwik PRO ist kein Einzelfall. Im Rahmen unserer Serie Technologie aus Osteuropa stellen wir euch einige interessante Unternehmen vor. Manche sind auch im Westen äußerst populär. Ihr werdet staunen, wer alles seine Wurzeln in den Ländern des ehemaligen Ostblocks hat. In diesem Artikel dreht sich alles um polnische Technologie-Unternehmen. Teleport kennt allein in den drei Städten Warszawa, Wrocław und Kraków 460 Startups. Auf einige gehen wir weiter unten im Artikel ein. Zunächst widmen wir uns den alten Hasen wie den bereits erwähnten Piwik PRO.

Piwik PRO bietet etwas, das Google-Analytics-Kunden frühestens mit der Umstellung auf Google Analytics 4 im Sommer 2023 bekommen: einen Consent Mode. Außerdem lässt es sich – wie das quelloffene Matomo – selbst hosten.

Ivona

Ivona stammt ursprünglich aus Gdańsk. Du kennst sie unter einem anderen Namen. Ivona wurde bereits 2002 entwickelt. 2013 hat Amazon die Technologie gekauft. Ivona ist ein Sprachsynthesizer und die Technologiegrundlage für Alexa. Entwickelt wurde die Technologie von fünf Danziger Jungs. Einer von ihnen ist Łukasz Osowski.

Codewise

Einer der führenden Entwickler von Ad-Exchange und Ad-Measurement-Plattformen ist Codewise aus Krakau. Wie Ivona steht Codewise stellvertrend für ein Meer an AI-Entwicklern aus dem Land jenseits Oder und Neiße. Das Unternehmen startet 2010 mit der Entwicklung maßgeschneiderter Software für einen unabhängigen Digital Marketer. Die Software übertraf nicht nur die Erwartungen des Auftraggebers, sondern auch die tausender von Affiliate-Vermarktern und Werbeagenturen. Inzwischen bietet die Softwareschmiede neben ihren branchenführenden Tools auch Support und Schulungen.

Open-E

AI und Big Data gehören zusammen wie Kutsche und Pferd. Und was eignet sich am besten für die Speicherung großer Datenmengen? Natürlich ein entsprechend ausgelegtes Enterprise-Storage wie das von Open-E. Zwar wurde das Unternehmen 1998 in Deutschland gegründet und hat sein Hauptquartier mittlerweile in die USA verlegt. Seine Prägung erhält das Unternehmen jedoch nach wie vor von seinem Gründer Krzysztof Franek und dem CTO Janusz Bak, der seit 1999 dabei ist. Das für Zentral- und Osteuropa zuständigen Büro in Bytom etwas nördlich von Katowice ist ein deutlicher Verweis auf die Wurzeln der beiden Ingenieure. Technologisch setzt Open-E JovianDSS auf das leistungsfähige und sichere ZFS.

LizardFS

Bleiben wir noch etwas in der Storage-Welt. Ebenfalls auf Open Source setzen LizardFS aus Warschau. LizardFS ist ein verteiltes, skalierbares und fehlertolerantes, POSIX-kompatibles Dateisystem. Es entstand 2013 aus einem Fork von MooseFS. LizardFS ist Hardware-unabhängig und kann auf handelsüblicher Hardware installiert werden. Die Mindestanforderungen sind zwei dedizierte Knoten. Für echte Hochverfügbarkeit empfiehlt der Hersteller jedoch drei Knoten – dann funktioniert auch das Erasure Coding zuverlässig. Zielgruppe sind F&L, Medien (Postproduction), Telcos und die Finanzwelt. Seine Stärken spielt es vor allem in Big-Data-Anwendungen und Elastic Search aus. Die Software gibt es auf Github.

Sii

Wie viele unserer osteuropäischen Nachbarn ist auch Polen ein Outsourcing-El-Dorado. Einer der größten Anbieter für Dienstleistungen in den Bereichen Beratung, IT und Ingenieurwesen ist Sii mit Experten u. a. für Digitalisierung, Softwareentwicklung, Testservices, Cybersicherheit, Elektrotechnik, Maschinenbau und Service Desk. Das Unternehmen mit über 7 000 Spezialisten betreibt Büros in jeder größeren polnischen Stadt. Sii startet 2006 als Ein-Mann-Betrieb. Mittlerweile gehört das Who-is-Who fast aller Branchen zum Kundenstamm der „Great Place to Work“-Legende. Seit 2021 gehört es übrigens sogar zu „Europe’s Best Workplaces“.

Passus

Ebenfalls im Bereich Dienstleistungen ist die Passus S.A. zuhause. Das Systemhaus mit Sitz in Warschau konzentriert sich auf die Konzeption und Implementierung hochspezialisierter IT-Lösungen aus den Bereichen Netzwerk- und Anwendungs-Performance-Monitoring bzw. -Verbesserung sowie IT-Sicherheit für On-Premise-, hybride, private und öffentliche Cloud-Architekturen. Allerdings beschränkt sich das 2014 gegründete Unternehmen nicht nur auf Dienstleistungen. Zur Gruppe gehören auch die auf SIEM und Identitätsmanagement fokussierte Wisenet sowie das hausinterne Startup Sycope – eine selbstentwickelte hochperformante und moderne Netzwerküberwachungs- und Sicherheitslösung.

Microamp Solutions

Von der Sicherheit zur Telekommunikation: Die 2019 gegründete Microamp Solutions entwickelt innovative mmWave-Infrastruktur für 5G-Netzwerke. Das Startup unterstützt Unternehmen unterschiedlicher Branchen bei der Einführung von 5G-Technologie und bietet auch eigene 5G-Lösungen. Zum Portfolio gehören Leistungsverstärker, mmW-Transceiver und RF Front-End für 5G-Basisstationen. Das Headquarter ist in Lublin. Entwickelt und geforscht wird in Warschau.

GeneMe

GeneMe ist ein Biotech-Startup aus Gdańsk. Im Zuge der Corona-Pandemie hat das 2018 gegründete Unternehmen ein universelles Protein (Polymerase) für RT-LAMP-Tests entwickelt und patentiert. Zum Einsatz kam es erstmals in großem Stil bei der Herstellung von hochpräzisen, schnellen, molekulargenetischen COVID-Tests. FRANKD liefert vor Ort in 13 bis 25 Minuten ohne Beteiligung eines Labors Ergebnisse mit 100 % Zuverlässigkeit und 100 % Präzision. Ansonsten konzentriert sich das Unternehmen auf Produkte und Leistungen für die Analyse breit angelegter genetischer Tests zur Funktionsweise des Körpers, sportlicher Veranlagungen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Krankheiten sowie onkologische Risiken. Außerdem arbeitet GeneMe an neuen Technologien zur Nukleinsäure-Amplifikation in der Mutationsdiagnostik und RNA-Analyse.

Neptune AI

Die Geschichte von Neptune beginnt 2016. Als Teil des deepsense.ai-Teams gewannen die Wissenschaftler den Kaggle Right Whale Recognition-Wettbewerb. Wie viele andere Datenwissenschaftler kämpfte das Team mit sich ständig wiederholdenden Aufgaben oder gar dem Verlust von Arbeitsergebnissen. Individuelle Arbeits- und Speichermethoden erschwerten das Teilen, Nachvollziehen oder Reproduzieren ihrer Arbeit immens. 2018 gründete das Team Neptune mit dem Ziel, einen Standard für die Zusammenarbeit in der Datenwissenschaft zu schaffen. Mit ihrem Metadata Store für MLOps ist es möglich, alle Modell-Metadaten an einem einzigen Ort zu protokollieren, zu speichern, abzufragen, anzuzeigen, zu organisieren und zu vergleichen.

Brainly

Brainly ist eine eine Online-Lernplattform. Schüler und Eltern erhalten Hausaufgaben- und Lernhilfe von Gleichaltrigen und Experten. Das bereits 2009 gegründete Unternehmen aus Krakau setzt ebenfalls auf künstliche Intelligenz und ganz besonders auf Natural Language Processing (NLP). Brainly hilft Schülern auch, in einer Gemeinschaft mehr Selbstvertrauen zu entwickeln. Mittlerweile gibt es die Plattform in 35 Ländern.

Sztuczna Inteligencja

Unsere Beispiele stehen nur stellvertretend für die mittlerweile unzähligen innovativen Tech-Companies und mehr als 3.000 polnischen Startups. Die meisten gibt es in den Bereichen Fintech, Biotech/Medtech, Marketing, Foodtech und Künstliche Intelligenz. Überhaupt ist Polen ein AI-Eldorado. Auch das ist eine Gemeinsamkeit vieler Osteuropäischer Technologie-Zentren. Ein Überblick der in Polen aktiven Firmen im Bereich AI und ML gibt es auf einer speziellen Website des National Information Processing Institute.

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