L. David Marquet
Reiß das Ruder rum!
dpunkt, 2020 (engl. Original 2012)
Die Story: Einem U-Boot-Kapitän der US Navy ist das Regelwerk des Militärs zu wenig flexibel für komplexe Aufgaben, wie den sicheren, schlagkräftigen Betrieb eines U-Boots. Unerwartet und ungeplant bekommt der Kapitän die Verantwortung für ein U-Boot übertragen, dessen Mannschaft nach offiziellen Maßstäben der Navy zu den schlechtesten der Flotte zählt. Mit Unterstützung seines unmittelbaren Vorgesetzten etabliert der Kapitän zusammen mit der Führungsriege und der Mannschaft neue Verfahren und verlagert Verantwortlichkeiten. Natürlich endet das Experiment erfolgreich, Boot und Mannschaft werden innerhalb weniger Jahre zu den besten der Navy, und verschiedene zuerst auf dem U-Boot eingeführte Methoden werden mittlerweile in der gesamten US Navy umgesetzt.
Eine wesentliche Erkenntnis von Marquet ist, dass tayloristische Befehlsstrukturen nicht sehr gut zum vergleichsweise komplexen Auftrag einer U-Boot-Besatzung passen. Probleme und Fehler werden nicht „nach oben“ weiter gegeben. Vom Kapitän wird erwartet, dass er selbst kleinste Entscheidungen trifft, wozu er auch ständig über alle Subsysteme informiert sein muss. Weil die Mannschaft sich auf Entscheidungen von oben verlässt, verlernt sie das Mitdenken, es kommt zu noch mehr Betriebsfehlern.
Auf einem anderen U-Boot hat der Autor seinen Führungsansatz von „Leader/Leader“ bereits ausprobiert, leider erfolglos. Zu Beginn des Buches steht also zunächst eine Reflexion der damaligen Situation und Überlegungen, wie Dinge bei einem zweiten Anlauf besser gemacht werden können. Unmittelbar nach Übernahme des U-Boots, noch während der Vorbereitungen für den ersten Auftrag, beginnt Marquet mit ersten Änderungen. Nicht alle seine Ideen kommen sofort gut an, eine U-Boot-Mannschaft ist bei Change-Prozessen nicht sehr verschieden zu einem Team in einem Wirtschaftsunternehmen. Aber mehr und mehr erkennt Führungsriege und Mannschaft die Vorteile eigenverantwortlichen Arbeitens. Die Fehler werden weniger, Einzelne werden befähigt, selbst zu entscheiden und zu handeln. Die Änderungen bringen stellenweise auch Marquet in seiner Eigenschaft als Kapitän an Grenzen, regelmäßig berichtet er davon, wie Maßnahmen umgestaltet, neugestaltet oder auch verworfen werden mussten, weil sie sich als wenig oder nicht praktikabel herausstellten.
Das Buch liest sich angenehm flüssig. Mich persönlich störte regelmäßig der Militärbezug und das zugehörige Vokabular. Aber das ist zum einen Geschmackssache und ändert nichts an den eigentlichen Kernaussagen des Buches. Marquet selbst ist nicht mehr bei der Navy, sondern betreibt eine Consulting-Agentur, spezialisiert auf C-Level-Trainings zu Leadership.
Wer schon lange im Umfeld Agile und New Work umtriebig ist, wird in dem Buch nur wenig Neues lernen, aber vieles bestätigt bekommen. Für den Einstieg in das Führungskonzept Leader/Leader bzw. Servant Leadership ist das Buch unbedingt hilfreich. Das Buch ist aber ganz klar kein Lehrbuch. Der Leser bekommt Ideen auf den Weg und eine Reihe Anhaltspunkte zum weiter lesen. Leider ist die Bibliographie etwas dünn ausgefallen, statt dessen gibt es im Anhang einen Überblick zu Dienstgraden in der US Navy und ihre deutsche Entsprechung. Für mich persönlich völlig überflüssig. Was mir sehr gut gefiel: Die einzelnen Kapitel sind angenehm kurz, viele davon sind völlig eigenständig zu lesen, und jedes Kapitel hat am Ende ein paar Reflexionsfragen, mit denen man das eben gelernte gleich auf die eigene Situation „umdenken“ kann.
Transparenzhinweis: Das Buch habe ich selbst gekauft, es ist kein vom Verlag zur Verfügung gestelltes Rezensionsexemplar.